Kaulquappen im kosmischen Teich: IC 410 und NGC 1893
In den eiskalten und auch feuchten Nächten vom 07.-08.02.2023 beherrschte der Vollmond zwar den Himmel über Bad Kreuznach, aber sie waren für mich zum einen die erste Gelegenheit, den Kometen C/2022 E3 ZTF zu sehen und zu fotografieren, zum anderen war der Komet aber auch kein nachtfüllendes Objekt. Zum Frühling hin werden die Gasnebel, die noch ausreichend lange über den Giebeln stehen, aber langsam rar.
Im Sternbild Fuhrmann (lat.: Auriga) kann man in klaren Winternächten den offenen Sternhaufen NGC 1893 eingebettet in den Emissionsnebel IC 410 finden. Während NGC 1893 mit einem Teleskop passender Öffnung visuell beobachtet werden kann stellt der schwache Nebel IC 410 eine Herausforderung für die visuelle Beobachtung dar und kann wesentlich einfache fotografisch abgebildet werden. Aufgrund zweier auffälliger Strukturen innerhalb des Nebels wurde IC 410 auch mit dem Beinamen Kaulquappen-Nebel geschmückt. IC 410 wurde am 25. September 1892 von dem (deutschen) Astronomen Max Wolf (21. Juni 1863 - 3. Oktober 1932) entdeckt während der offene Sternhaufen NGC 1993 bereits früher am 22. Januar 1827 von dem (britischen) Astronomen John Herschel (7. März 1792 - 11. Mai 1871).

IC 410 und NGC 1893 SHO, Atik 460EXmono, Lacerta Newton f=1000mm f/4, 2023-02-08, Bad Kreuznach, Deutschland
Was man in dem Bild sehen kann ist, was man mit dem Auge visuell durch ein Teleskop so nicht sehen kann. Das Bild wird in Falschfarben präsentiert, die aus der (bei Astrofotografen weithin bekannten) Aufnahmetechnik mittels Schmalbandfiltern bei der Bearbeitung folgen.
Die Schmalbandfilter zielen auf die Verbesserung des Signal-Rausch Verhältnisses des Bildes ab, indem sie nur für schmale Frequenzbänder des (hier visuellen) Spektrums um bekannte Emissions-Linien (Frequenzen) von Himmelsobjekten durchlässig sind. Dadurch wird das Verhältnis zwischen dem Signalanteil, der tatsächlich von astronomischen Objekten stammt und dem Anteil aus der Hintergrund-Lichtverschmutzung erhöht im Vergleich zu breitbandigen Aufnahmen. Dadurch, dass die Durchlassbreiten der Filter sehr schmal sind, muss aber beachtet werden, dass der absolute Signalfluss schwächer wird und eine längere Belichtungszeit notwendig ist, um gegenüber technischen Rauschquellen des Sensors ein ausreichend hohes Niveau zu erreichen. Neben der Anwendung bei zivilisatorischer Lichtverschmutzung hat die Filtertechnik einen sehr praktischen Nutzen in Nächten, die durch Mondlicht stark aufgehellt sind. Beide Lichtverschmutzungsquellen waren reichlich vorhanden während die Aufnahmen für die hier präsentierten Bilder in einer kalten Februarnacht belichtet wurden.
Bildbearbeitung
Manche Leser mögen Interesse haben an den spezifischen Bildbearbeitungsschritten, die hier Anwendung fanden und ich hoffe, im Folgenden einen kleinen Überblick geben zu können. Als Software kam "PixInsight" zum Einsatz (nur die Wasserzeichen wurden mit "Darktable" eingefügt). Die Schmalbandkanäle für S[II], H-alpha und O[III] werden in dieser Reihenfolge den Farbkanälen Rot, Grün und Blau zugeordnet. Unglücklicherweise überwiegt die Signalstärke im H-alpha Kanal üblicherweise die der anderen Schmalbandkanäle bei den meisten Emissionsnebeln. Das führt zu einer stark grünlichen Bilddarstellung, wenn die Kanäle nicht zuvor bearbeitet werden. Die Schritte im Groben sind wie folgt:
Kalibrierung mit PixInsight Script WeightedBatchPreprocessingScript (Mit Flats und Bias Bildern im Fall der von mir verwendeten CCD Kamera)
Linear fit von H-alpha und O[III] mit dem Kanal des niedrigsten Signalpegels (ADU) S[II] als Referenz (-> verhinder Grün-Dominanz bei der Farb-Kombination)
RGB Kombination, R=S[II], G=H-alpha, B=O[III]
BlurXTerminator in PixInsight angewendet auf das lineare Bild (AI - deconvolution)
StarXTerminator um Nebel und Sterne zu trennen zur getrennten Bearbeitung
Generalized Hyperbolic Stretch zur Delinearisierung separat auf Teilbilder der Sterne und des Nebels
CurvesTransformation auf Hue Kurve um die leichten Grüntöne nach gelb/orange und die tiefen grün/blau Töne nach türkis zu verschieben
NoiseXTerminator - wie man unschwer erraten kann zur Rauschminderung
Improved SCNR verbessertes SCNR Script von James Lamb zur Reduktion von Grüntönen mit minimierter Auswirkung auf die Luminanz und den Kontrast.

IC 410 und NGC 1893, Bilddaten wie oben jedoch ohne Reduktion im Grünkanal bei der finalen Bearbeitung
Es lässt sich auch eine H(S)OO-Kombination erstellen, bei der H-alpha und S[II] addiert wurden und als Rotkanal verwendet, während O[III] für den Grün- und Blaukanal verwendet wird:

IC 410 und NGC 1893 H(S)OO, Atik 460EXmono, Lacerta Newton f=1000mm f/4, 2023-02-08, Bad Kreuznach, Deutschland
Und zu guter Letzt falls man sich die Frage nach der Bildorientierung oder des Pixel-Abbildungsmaßstabes stellt im Folgenden ein Bild mit astrometrischer Lösung und überlagerter Kartendarstellung: